Thailand
Beschreibung
Die formale Bildung in Thailand ist zentralstaatlich organisiert und in Primar-, Sekundar- und Tertiärbildung eingeteilt. Bis auf letztere wird die Bildung in Thailand kostenfrei angeboten. Die Unterrichtssprache ist Thailändisch, private Schulen und Universitäten unterrichten jedoch zunehmend auf Englisch. Die Schulpflicht beträgt 9 Jahre und umfasst die Primarstufe (Prathom) mit einer Dauer von 6 Jahren sowie die 3‑jährige untere Sekundarstufe (Mattayom 1‑3). Die untere Sekundarstufe schließt mit dem „Certificate of Lower Secondary Education“ ab und ist Entscheidungsgrundlage für den Besuch einer beruflichen und technischen Ausbildungsstätte oder der oberen Sekundarstufe, welche mit dem „Certificate of Secondary Education“ abschließt und die Grundvoraussetzung für ein Studium darstellt. Das Studium in Thailand orientiert sich am US-amerikanischen Bildungssystem: Nach einem vierjährigen Bachelorstudium folgen zweijährige Master- und anschließend drei- bis sechsjährige Promotionsprogramme.
Entscheiden sich die Schüler/innen der höheren Sekundarstufe für eine berufliche und technische Ausbildung (Technical Vocational Education and Training – TVET), so erhalten sie bei Abschluss (in der Regel nach 3 Jahren) ein „Certificate in Vocational Education“. Hierbei gibt es verschiedene Abschlussvarianten:
- Beim regulären Abschluss „Certificate in Vocational Education“ eignen sich die Schüler/innen theoretische und praktische Kenntnisse in Schulen an und verbringen ein Semester am Arbeitsplatz.
- Der Abschluss „Certificate in Dual Vocational Education“ ist ein 3‑jähriges Programm, welches praktische und theoretische Kenntnisse durch eine duale Ausbildung in der Schule sowie am Arbeitsplatz vermittelt. In diesem Fall wird ein Vertrag mit dem betreffenden Unternehmen geschlossen. Der Auszubildende erhält während der Ausbildungszeit eine finanzielle Zulage vom Arbeitgeber.
- Der Abschluss „Certificate in Vocational Education: Credit Accumulating System“ kann nach 3‑5 Jahren erlangt werden und richtet sich an Personen, die neben ihrem Beruf keine Vollzeitausbildung absolvieren können. Absolvent*innen haben mit diesem Diplom verstärkt die Möglichkeit, einen Bachelorabschluss im beruflichen Bereich anzuschließen. Verschiedene Hochschulen – insbesondere Technische Universitäten wie die Rajamangala University of Technology – bieten hierfür verkürzte Bachelorstudiengänge an, die auf dem beruflichen Diplom aufbauen. In der Praxis bedeutet dies: Nach dem Abschluss des Certificate in Vocational Education (Sekundarstufe II) absolvieren viele junge Menschen zunächst das zweijährige Berufs-Diplom.
- Der Abschluss „Certificate in Vocational Education: Evening Class“ richtet sich ebenfalls an Berufstätige, denen durch dieses Programm die Möglichkeit eröffnet wird, in Abendkursen einen Abschluss zu erzielen.
Neben den verschiedenen Abschlussvarianten werden die TVET-Programme auch in 9 verschiedenen Vertiefungsbereichen angeboten: Industrie, Wirtschaft und Handel, Kunst, Hauswirtschaft, Landwirtschaft, Fischerei, Textilien, Tourismus und Gastgewerbe sowie Informations- und Kommunikationstechnologie. Zum Abschluss eines Ausbildungsniveaus müssen Auszubildende im Rahmen einer Prüfung nachweisen, dass sie die entsprechenden Anforderungen erfüllen und über die notwendigen Fertigkeiten und Kompetenzen verfügen.
Nach dem TVET-Programm der höheren Sekundarstufe folgt die Post-Sekundarstufe, welche nach 2 Jahren mit einem „Diploma in Vocational Education“ (Por Wor Sor) oder einem „Diploma in Technical Education“ (Por Wor Tor) abschließt. Dieses Programm ist für Vocational Certificate Absolventen oder Absolventen der oberen Sekundarstufe gedacht. Auch diesbezüglich sind zahlreiche Varianten für einen Abschluss möglich. An Universitäten kann schließlich das „Higher Diploma in Technical Education“ erlangt werden. Graduierte sind danach für Lehrtätigkeiten an berufsbildenden Einrichtungen qualifiziert. Zudem gibt es zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten und formale Verknüpfungen zum Hochschulsektor. So wurden berufliche Bachelor-Abschlüsse eingeführt, die Absolventen eines zweijährigen Diplomprogramms in weiteren zwei Jahren erwerben können.
Das Hochschulsystem Thailands offeriert diverse Wege zu unterschiedlichen Abschlüssen. So bietet das System grundsätzlich die Wahl zwischen Universitäten, Colleges, Institutes of Technology, Technical Colleges, Vocational Colleges und Teacher Colleges.
Das Technical College, das Vocational College und das Teacher College sind Fachhochschulen und werden jeweils nach 2 Jahren mit dem entsprechenden „Diploma“ abgeschlossen. Universitäten, Institutes und Colleges vergeben abhängig vom Studiengang nach 2‑3 Jahren den „Associate Degree“ und nach 4 Jahren den „Bachelor Degree“. Weiterführend kann der „Master“ und „Doctorate“ erworben werden.
Landesspezifische Besonderheiten
Nach der Einführung des „National Education Scheme“ im Jahr 1977 sieht das thailändische Bildungssystem ein 6-3-3 Schema vor. Das bedeutet, dass eine grundlegende Schulbildung von sechs Jahren mit zweimal drei Jahren aufbauender Schulbildung ergänzt werden kann. Die Schüler/innen beginnen ihre Ausbildung auf der Primary School normalerweise mit sechs Jahren. Der zu erwerbende Abschluss dieser Schule ist das „Certificate of Primary Education“. Nach dessen Erwerb verlassen fast die Hälfte der Schüler/innen trotz eigentlicher Schulpflicht bis zur 9. Klasse bereits im Alter von 13 Jahren die Schule, häufig um bei ihren Eltern zu arbeiten.
Nach den ersten drei Jahren weiterführender Ausbildung erlangt man den Abschluss „Certificate of Lower Secondary Education“. Dieser Abschluss berechtigt die Zulassung zur Aufnahmeprüfung für die jeweils dreijährige „Upper Secondary School“ und „Upper Secondary Vocational School“. Die Abschlüsse dieser Schulen berechtigen zur Teilnahme an den Zulassungsprüfungen im Hochschulbereich. Hierbei soll die akademisch/wissenschaftlich ausgerichtete Upper Secondary School auf Universitäten vorbereiten und die Upper Secondary Vocational School eher auf die technischen/kaufmännischen Colleges.
Die Unterrichtssprache in allen Schulen ist Thai. Da Thailand in kultureller Hinsicht ein sehr homogenes Land ist, verstehen fast alle Thailänder die Nationalsprache. Englisch wird ab der ersten Klasse als Fremdsprache unterrichtet und wird in internationalen Schulen und Programmen als Unterrichtssprache genutzt.
Kennzeichnend für das thailändische Bildungssystem sind die häufigen Aufnahmeprüfungen („Entrance Examination“). Innerhalb eines vollständigen höheren Ausbildungsweges müssen bis zu 5 dieser Aufnahmeprüfungen bestanden werden. Diese zusätzliche Hürde, die trotz vorhandenem Abschlusszeugnis überwunden werden muss, veranlasst viele junge Menschen die Ausbildung frühzeitig zu beenden.
Neben der formalen gibt es noch die nicht-formale Bildung. Personen, wie Angehörige von Minderheiten, die keine Möglichkeit auf Aus- und Weiterbildung im regulären staatlichen Schulsystem haben, bekommen hierbei die Chance an non-formalen außerschulischen Trainings zu partizipieren. Absolventen erlangen international anerkannte Zertifikate. Beispielsweise wird ein Fernstudium von mindestens 3 Jahren angeboten, welches sowohl Berufstätigen als auch Arbeitslosen einen Abschluss ermöglicht. Dieses TVET-Programm der höheren Sekundarstufe schließt mit einem „Certificate in Vocational Education (non-formal)“ ab. Außerschulische Trainings waren ursprünglich für den Vorschul- und Primarbereich gedacht, haben sich aber signifikant auf den Sekundarbereich und den Bereich der beruflichen Bildung ausgeweitet.
Aktuelle Reformprozesse
Das Ministry of Higher Education, Science, Research and Innovation (MHESI) wurde im Mai 2019 gegründet und übernahm die Verantwortung für den gesamten Hochschulsektor in Thailand. Damit einher ging die Ausgliederung der Hochschulangelegenheiten aus dem bisherigen Bildungsministerium (Ministry of Education, MOE): Die zuvor dem MOE unterstellte Office of the Higher Education Commission (OHEC) wurde dem neuen Ministerium angegliedert.
Infolge gezielter politischer Maßnahmen stiegen die Beteiligungsquoten an der beruflichen Oberstufe. Zudem wird seit 2019 ein Credit-Transfer-System ausgebaut, das flexiblere Bildungswege ermöglicht – einschließlich der Anrechnung informell oder non-formal erworbener Kompetenzen. Parallel dazu wird ein nationales Qualifikationsrahmenwerk, das Thai Vocational Qualification (TVQ), etabliert.Historische Entwicklung
Entwicklung des Bildungssystems in Thailand
Beschreibung
Mit dem ersten Gesetz über das Bildungswesen im Jahr 1999 wurde das thailändische Bildungssystem wesentlich angepasst. Seither besteht für Kinder und Jugendliche ein zwölfjähriges Schulsystem, das neun Jahre Pflichtschule umfasst. Seit 2009 bietet der Staat 15 Jahre kostenlose Bildung an – darunter drei Jahre Vorschule bzw. Kindergarten sowie die dreijährige obere Sekundarstufe, auch wenn diese zusätzlichen Jahre nicht der Schulpflicht unterliegen.
Im Zuge der Veränderungen wurde auch das Bildungsministerium neu strukturiert. Die Zuständigkeit für die berufliche Bildung liegt seither beim „Office of Vocational Education Commission“ (OVEC), dem Büro des Nationalen Berufsbildungsausschusses innerhalb des Ministeriums. OVEC verantwortet nicht nur den Betrieb der über 400 öffentlichen berufsbildenden Schulen im ganzen Land, sondern auch die politische Steuerung, die Entwicklung von Qualitätsstandards sowie die Evaluierung und das Monitoring aller berufsbildenden Angebote – sowohl öffentlicher als auch privater Träger. Es gibt landesweit 429 staatliche und 484 private Colleges (Stand 2020).
Eine weitere Veränderung war der Beginn der Reform der beruflichen Bildung im Jahr 2003. Das erste Berufsbildungsgesetz („Vocational Education Act“) trat 2008 in Kraft. Es verpflichtet alle berufsbildenden Maßnahmen im Königreich, sich am nationalen Wirtschafts- und Sozialentwicklungsplan sowie am nationalen Bildungsplan zu orientieren.
Auch ist die gestiegene Durchlässigkeit im Bereich der technischen und beruflichen Bildung (TVET) zu nennen. Lernende, die sich für einen beruflichen Bildungsweg entscheiden, können inzwischen bis zur Hochschulebene aufsteigen – ohne einen vollständigen Wechsel in das allgemeine Bildungssystem vollziehen zu müssen. So können Absolventinnen und Absolventen eines Diploma in Vocational Education durch ein zusätzliches zweijähriges Studium einen Bachelorabschluss im selben Fachbereich erwerben. Diese sogenannten „2+2“-Programme, die seit Mitte der 2010er Jahre bestehen, tragen maßgeblich zur Attraktivität von TVET bei, da sie neue Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs eröffnen.
Weiterführende Informationen
Quellen und Links
Bildungsorganisationen
Ministry of Education (MOE)
An der Spitze des Bildungssystems und dessen Verwaltung steht das Ministry of Education(MOE). Mit dem National Education Act 1999, seiner Gesetzesänderung 2002 sowie dem 2003 erfolgten Act for Streamlining of Ministries and Governmental Agencies folgte der Zusammenschluss der drei für die Bildung zuständigen Behörden (Ministry of Education, Ministry of University Affairs, Office of the National Education Commission) unter dem Dach des Bildungsministeriums. Ihm sind verschiedene Ämter unterstellt, die für den jeweiligen Bildungsbereich zuständig sind:
- Office of the Permanent Secretary
Ihm untersteht das Office of the Private Education Commission (OPEC). Das OPEC besteht seit 1972 und ist für die Entwicklung und Umsetzung der entsprechenden Politik sowie für die Einhaltung von Standards und damit auch für die Einbindung des Privatsektors zuständig. - Office of the Education Council (OEC)
Das OEC ist zentral für die Planung und Umsetzung der Bildungspolitik verantwortlich. Der National Education Plan und die Festlegung von Bildungsstandards unterliegen der Autorität des OEC – ehemals Office of the National Education Council. - Office of the Basic Education Commission (OBEC)
Das OBEC überwacht das Bildungswesen von der Vorschule bis zur Sekundarstufe. Seine Aufgaben liegen zudem in der Mittelbereitstellung und Ausarbeitung von Bildungspolitik und -standards sowie von Lehrplänen. Auch für Innovationen in der entsprechenden Lehrtätigkeit ist das OBEC zuständig. Im Jahr 2008 unterstanden 32.363 öffentliche Schulen der Zuständigkeit des OBEC. - Office of the Higher Education Commission (OHEC)
Das OHEC erstellt im Einvernehmen mit dem National Economic and Social Development Plan und dem National Education Plan Politikempfehlungen und Standards für die tertiäre Bildung. Das OHEC überwacht über 150 Institutionen tertiärer Bildung. - Office of the Vocational Education Commission (OVEC)
Die Aufsicht über die technische und berufliche Aus- und Weiterbildung obliegt dem OVEC. Berufsbildung wird ab der oberen Sekundarstufe angeboten. Das Büro entwirft die Richtlinien für Berufsbildung in Übereinstimmung mit den staatlichen Vorgaben (wie dem National Economic and Social Development Plan) und passt das Angebot der beruflichen Bildung den Marktverhältnissen und -erfordernissen an. - Department of Non-formal Education (DNFE) ist speziell für die Aus- und Weiterbildung der ländlichen Bevölkerung verantwortlich.
Department of Vocational Education (DOVE) ist dem MOE untergeordnet und kümmert sich im Einzelnen um die sogenannte VTE (vocational and technical education). Es ist verantwortlich für den Inhalt und das Trainingsangebot bis zum jeweiligen Diplom.
Ministry of University Affaires (MUA) kümmert sich um die 32 Hochschulen des „Rajamangala Institute of Technology” (RIT) und um das Office der Privaten Bildungskommission, welche die privaten Berufsschulen und nichtformalen Ausbildungsgänge überwacht.
National Institute of Educational Testing Service (NIETS)
Das National Institute of Educational Testing Service (NIETS) wurde im September 2005 eingerichtet. Die Aufgabe dieses Instituts besteht in der Organisation und Ausrichtung des landesweiten Prüfungswesens für alle Bildungsstufen.