Pakistan
Beschreibung
Verantwortlich für die strategische Ausrichtung der beruflichen Bildung ist das pakistanische Bildungsministerium Ministry of Federal Education and Professional Training (MoE).
Dem Ministerium ist die nationale Kommission für berufliche Bildung (Vocational & Technical Training Commission (NAVTTC)) unterstellt, die unter anderem für die Entwicklung der Curricula sowie für die Akkreditierung von Bildungseinrichtungen zuständig ist.
Die aktuellen Curricula sind auf der Website der Kommission für berufliche Bildung und der Website der Punjub Skills Development Authority abrufbar und zwar unter den folgenden Links:
Für die Umsetzung und Durchführung der beruflichen Bildung sind die 5 Bundesstaaten - Punjab, Sindh, Kyber Pakhtoonkhwa, Balochistan sowie Azad Jammu / Kashmir - zuständig. Quantitativ bedeutsam sind nur die 3 erstgenannten Bundesstaaten, in den mehr als 97 % aller pakistanischen Auszubildenden eine Ausbildung durchlaufen.
Die staatliche Berufsausbildung, die weitgehend vollzeitschulisch organisiert ist, untergliedert sich im Wesentlichen in drei verschiedene Ausbildungsgänge:
- Auf der untersten Stufe stehen die sogenannten „Short Courses“, die je nach Ausbildungsberuf 3 oder 6 Monate dauern. Der Auszubildende durchläuft hier einen staatlich geregelten Ausbildungsgang und muss sich einer Abschlussprüfung unterziehen. Zuständig für diese Ausbildungsgänge sind die Trade Testing Boards der einzelnen Bundesstaaten.
- Staatliche Berufsschulen mit Ausbildungsgängen zum Facharbeiter mit Dauer von 1 (Grade I und III) bis 2 Jahren (Grade II). Nach bestandener Abschlussprüfung erhalten die Auszubildenden ein „Trade Certificate of Skilled Workman“ Zuständig für diese Art der Ausbildung sind die Trade Testing Boards der einzelnen Bundesstaaten. Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme dieser vollzeitschulischen Ausbildungsgänge ist der Abschluss der Sekundarschule I, der nach 10 Schuljahren erworben wird. Im Rahmen der nationalen Skills-Strategie wurden viele Ausbildungsgänge modernisiert und auf das kompetenzbasierte CBT&A-System umgestellt. Absolvent*innen erhalten je nach Beruf ein Zertifikat entsprechend dem National Vocational Qualifications Framework (NVQF). Für die Stufen 1 bis 4 lautet die Bezeichnung „National Vocational Certificate Level X, in (Sector) Trade name“, etwa: „Level 3 in Carpentry – Cabinet Maker“. Auf Stufe 5 wird das Zertifikat als „National Vocational Certificate Level 5“ oder alternativ als „National Diploma Level 5“ ausgestellt. Die Zertifikate werden von akkreditierten Qualification Awarding Bodies (QAB) wie BTE oder TEVTA vergeben. Sie enthalten Angaben zum erreichten Level, zum jeweiligen Berufsfeld, zum ausstellenden QAB sowie ggf. zu Ausbildungsdauer oder Credits. Bei unvollständigem Abschluss wird ein „Record of Achievement“ vergeben, das dokumentierte Teilqualifikationen ausweist.
- Bei der dritten Kategorie staatlicher Ausbildungsgänge handelt es sich um die technische Berufsausbildung. Beim Abschluss der 3-jährigen vollzeitschulischen Berufsausbildung erhalten die Auszubildenden ein „Diploma of Associate Engineer (DAE)“ und erwerben damit auch eine Hochschulzugangsberechtigung. Die beruflichen Schulen fallen in den Zuständigkeitsbereich der "Boards of Technical Education" der einzelnen Bundesstaaten. Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme dieser vollzeitschulischen Ausbildungsgänge ist der Abschluss der Sekundarschule I, der nach 10 Schuljahren erworben wird. Der DAE bleibt ein zentraler Abschluss, wurde jedoch ebenfalls modernisiert und teilweise in CBT&A-Strukturen eingebettet. Seit 2020 wird in Pakistan schrittweise das Ausbildungskonzept „Matric-Tech“ eingeführt, das technische und berufspraktische Inhalte bereits in der Sekundarstufe I (Klassen 9 und 10) in den regulären Schulunterricht integriert. Ziel ist es, den Schüler*innen einen regulären Secondary School Certificate (SSC) mit technischer Ausrichtung zu ermöglichen und gleichzeitig eine Qualifikation auf NVQF-Level 4 zu vermitteln. Der Unterricht umfasst in Klasse 9 insgesamt etwa 44 Wochenstunden (davon 12 Praxisstunden) und in Klasse 10 rund 48 Stunden (davon 16 Praxisstunden). Angeboten werden praxisorientierte Fachrichtungen wie etwa IoT & Data Coding, Industrial Electrician, Graphic Design, Solartechnik, Kochen, Schneiderei oder Tourismusmanagement. Der TVET-Katalog in Punjab nennt darüber hinaus weitere Berufsrichtungen wie Auto Mechanic, Welding, Refrigeration & Air Conditioning oder Computer Science als Wahlfächer im Rahmen des Matric-Tech-Lehrplans. Das Programm wird zunächst als Pilotprojekt umgesetzt und soll sukzessive ausgeweitet werden.
Neben der staatlichen Berufsausbildung gibt es eine Vielzahl an privaten oder halbstaatlichen Bildungseinrichtungen, die eine wichtige Rolle im pakistanischen Berufsbildungssystem einnehmen. Exemplarisch ist z.B. Fauji Foundation zu nennen, die landesweit 100 Schools & Colleges, 65 Vocational Training Centers and 9 Technical Training Centers betreibt. Neu hinzugekommen sind außerdem moderne Anbieter wie die 2018 gegründete National Skills University Islamabad sowie zahlreiche durch NAVTTC zertifizierte private Berufsbildungsinstitute. In der Provinz Punjab müssen seit 2019 alle Anbieter beruflicher Bildung bei der Punjab Skills Development Authority (PSDA) registriert sein. Die PSDA fungiert als zentrale Regulierungs- und Aufsichtsbehörde für öffentliche und private Ausbildungsinstitute. Laut § 7(b) des Punjab Skills Development Authority Act 2019 ist sie ausdrücklich befugt, diese zu registrieren und zu regulieren, wodurch ein formales staatliches Anerkennungs- und Kontrollsystem geschaffen wird. § 13(1–2) des Gesetzes schreibt vor, dass keine Einrichtung ohne vorherige Registrierung tätig werden darf; bereits bestehende Anbieter waren verpflichtet, sich innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2019 zu registrieren. Die Registrierung ist damit gesetzlich vorgeschrieben. Ob diese Registrierung im jeweiligen Fall auch einer staatlichen Anerkennung im engeren Sinne entspricht, muss jedoch individuell geprüft werden. Im Rahmen der „Recognition of Prior Learning“ (RPL) können informell erworbene berufliche Kompetenzen durch Prüfungsverfahren der Trade Testing Boards oder der NAVTTC formal anerkannt werden. Absolvent*innen solcher Verfahren erhalten ein staatlich anerkanntes National Vocational Certificate (NVQF Level 1–3), ohne dass auf dem Zertifikat vermerkt ist, ob es über RPL oder formale Ausbildung erworben wurde . Nur wenn nicht alle geforderten Kompetenzen nachgewiesen werden, wird ein sogenannter „Record of Achievement“ ausgestellt – auch dieser unterscheidet jedoch nicht zwischen formalem oder informellem Kompetenzerwerb .
Die quantitative bedeutendste Säule der pakistanischen Berufsausbildung stellt jedoch die sogenannte traditionelle Berufsausbildung dar (informelle betriebliche Ausbildung). Diese ist vollkommen unreglementiert, d.h., es existieren keine Zugangsvoraussetzungen, keine Regelungen zur Dauer der Ausbildung und auch keine Vorgaben zu den Lehrinhalten. Sämtliche (ausbildungsrelevanten) Entscheidungen werden vom Betriebsinhaber getroffen.
In jüngerer Zeit gibt es erste Pilotprojekte zur Kompetenzfeststellung von Personen, die eine traditionelle Berufsausbildung durchlaufen haben, um ihnen ein staatlich anerkanntes Zertifikat auszustellen (siehe Trade Testing Board).
Landesspezifische Besonderheiten
Im Westen Pakistans an der Grenze zu Afghanistan existieren sogenannte Stammesgebiete (Federally Administered Tribal Areas, FATA). Rechtlich sind sie Teil Pakistans, doch die Verfassung bestimmt: "Kein vom Parlament beschlossenes Gesetz gilt in irgendeinem der Stammesgebiete oder einem ihrer Teile, solange es der Präsident nicht anordnet", was jedoch kaum vorkommt.
Weite Teile dieser Region werden von Clans beherrscht und pakistanisches Gesetz findet hier kaum Anwendung. Kriegerische Auseinandersetzungen sind in diesen Gebieten an der Tagesordnung. Da auch die Grenzen zu Afghanistan in einzelnen Regionen kaum kontrolliert werden können, haben die Taliban zunehmend an Einfluss gewonnen. Daran hat auch eine Großoffensive der pakistanischen Armee im Jahr 2014 wenig geändert.
Die politisch instabile Lage in den Stammesgebiet strahlt auch auf die Nachbarregionen der Bundesstaaten Kyber Pakhtoonkhwa und Balochistan ab.
Der Anteil an Analphabeten ist in diesen Teilen Pakistans extrem hoch. Staatliche Bindlungseinrichtungen sind nur wenig verbreitet. Mädchen wird aus religiösen Gründen der Zugang zur Bildung oftmals verwehrt.
Weiterführende Informationen
Quellen und Links
Bei der Beschreibung des Berufsbildungsystems wurde bereits auf die föderale Struktur der Berufsbildung sowie die Funktion der "Boards of Technical Eduction" und "Trade Testing Boards" hingewiesen.
Nachfolgend erfolgt eine Auflistung der Websites dieser Einrichtungen. Die Qualität der Seiten variiert sehr stark von Bundesstaat zu Bundesstaat. Für die Bundesstaaten Balochistan sowie Azad Jammu / Kashmir waren online keine relevanten Informationen verfügbar.
Alle Websiten sind, wie in Pakistan üblich, in Englisch verfasst. Sehr gut aufbereitete und z.Z. auch landesweit geltende Informationen sind auf der Website des Trade Testing Board des Bundesstaat Punjab zu finden.
a) Bundesstaat Punjab
Trade Testing Board: http://www.ttbp.edu.pk/
Board of Technical Education
Zudem kann man unter diesem Link alle aktuellen Lehrpläne abrufen: Punjab Board of Technical Education, Lahore
Eine weitere Fundstelle für Curricula ist Punjab Skills Development Authority: Curriculum | Punjab Skills Development Authority
Für den Bundesstaat Punjab existiert zudem ein Auflistung aller staatlichen beruflichen und technischen Schulen einschließlich der von ihnen angebotenen Ausbildungsgänge.
Staatliche beruflichen und technische Schulen finden sich auf der Seite der: Technical Education & Vocational Training Authority (TEVTA)
b) Bundesstaat Sindh
Trade Testing Board: Sindh TTB
Sindh Technical Education & Vocational Training Authority: https://stevta.gos.pk
c) Kyber Pakhtoonkhwa
Trade Testing Board: Trade Testing Board (kpttb.gov.pk)
Board of Technical Education: http://www.kpbte.edu.pk/
