Rückblick: „BRAVO-Projekt“ Internationaler Workshop in Köln

Das BQ-Portal war am 14. und 15. Februar 2024 Gastgeber für den Workshop zum „BRAVO-Projekt“ (Kurzform für: Bridging a European Network for Recognition of Vocational Qualifications) mit Vertreterinnen und Vertretern der ENIC-NARIC Anerkennungsstellen aus Schweden, Norwegen und Litauen. Ziel von BRAVO ist es, ein Netzwerk auf EU-Ebene aufzubauen, um die Anerkennung von Berufsqualifikationen zu erleichtern. Im Workshop wurde das deutsche Anerkennungsverfahren vorgestellt und es gab Diskussionen zu den Anerkennungsverfahren in der EU.

Gemeinsam für mehr Anerkennung von ausländischen Fachkräften: Anerkennungsverfahren, Bewertungsrichtlinien und der Umgang mit Herkunftsländern von Geflüchteten

Der erste Workshop-Tag legte den Fokus auf die unterschiedlichen Anerkennungsverfahren der vertretenden Länder: Schweden, Norwegen, Litauen und Deutschland. Das BQ-Portal erläuterte ausführlich den Vertreterinnen und Vertretern des BRAVO-Projekts, wie das Anerkennungsverfahren in Deutschland abläuft und welche Stellen in den Bundesländern zuständig sind. Darüber hinaus wurden viele Informationen zu den unterschiedlichen Anerkennungsprozessen der vertretenden Länder ausgetauscht. Bei den Gästen wurden die umfangreichsten Erfahrungen zur beruflichen Anerkennung bisher in Schweden gemacht, wobei die Qualifikationsstufen mit Hilfe der EQF-Level beschrieben werden. Eine Bewertung erfolgt hier so wie in den meisten europäischen Ländern anhand der Level-Zuordnung und nicht, wie in Deutschland oder Norwegen, anhand der inhaltlichen Vergleiche mit Hilfe der Lehrpläne. Folglich stehen nicht die Lehrpläne im Fokus des Anerkennungsverfahrens, sondern der Abgleich mit dem eigenen Qualifikationssystem. Die Einschätzung der Gleichwertigkeit auf Grundlage der EQF-Level wird zukünftig auch in Litauen durchgeführt werden. Ähnlich wird in Norwegen bereits vorgegangen, wo für die berufliche Anerkennung eine Ausbildung mindestens auf EQF-Level 4 vorausgesetzt wird. Jedoch wird in Norwegen zusätzlich auch der Lehrplan abgeglichen. 

Erfahrungsaustausch

Der erste Workshop-Tag endete mit einer Diskussionsrunde, die von den schwedischen Gästen geleitet wurde. Eingeteilt in Gruppen tauschten sich die Teilnehmenden zu Fragen rund um das Thema der Herausforderungen im Anerkennungsverfahren und den Umgang mit Verfahren aus Herkunftsländern von Geflüchteten aus. Aktuell gibt es in allen Ländern des BRAVO-Projekts eine hohe Anzahl an Anfragen aus der Ukraine, wobei die gute Zusammenarbeit mit den ukrainischen Ministerien, zum Beispiel bei der Lehrplanrecherche, von allen Teilnehmenden des BRAVO-Projekts, aber auch dem BQ-Portal bestätigt werden konnte. Beim Umgang mit Anerkennungsanträgen von ukrainischen Staatbürgerinnen und Staatsbürgern sahen sich alle Teilnehmenden besser vorbereitet als bei vorherigen Fluchtbewegungen. Auch hier wurden Unterschiede deutlich: Während in Deutschland auch mit unvollständigen Dokumenten ein Zugang zum Verfahren gegeben ist, endet in Norwegen der Zugang zum Verfahren. In Schweden wird versucht, den Bildungsweg zu rekonstruieren, sodass trotzdem eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt möglich ist. Ein Problem stellte für alle Teilnehmenden die Recherche in vielen Drittländern, wie Indien, Sri Lanka, Sudan und Syrien, dar. Dabei ist insbesondere in Schweden und Norwegen aktuell ein hohes Antragsvolumen dieser Länder zu verzeichnen. Ursache hierfür ist der Mangel an Ressourcen zur Bearbeitung des Arbeitsumfangs. Problematisch sehen alle Beteiligten den Umgang mit möglicherweise gefälschten Zeugnissen. Das Erkennen von Fälschungen oder Übersetzungsfehlern ist, aufgrund fehlender Expertise bezogen auf Zeugnisstruktur und Sprache, oftmals nicht möglich. 

Potenziale nutzen am Beispiel BQ-Portal

Schnell war klar: Auch wenn es in der Praxis nicht einfach ist, ausländische Berufsqualifikationen richtig zu bewerten und einzuschätzen, lohnt sich die Mühe. Gemeinsam verständigten sich die Teilnehmenden darauf, künftig noch enger zusammenzuarbeiten und Informationen untereinander auszutauschen. Die Transparenz des BQ-Portals und die zugänglichen Informationen für die Öffentlichkeit schätzen die ENIC-NARIC-Partner sehr. Die Abbildungen zu den Berufsbildungssystemen sowie die Lehrpläne in Originalsprache werden auch in Schweden, Norwegen und Litauen regelmäßig genutzt, um Abschlüsse einzuordnen. Daher rückten aktuelle technische Entwicklungen, wie KI-basierte Übersetzungstools, in den Vordergrund, die es in Zukunft erleichtern sollen, Lehrpläne und Berufsbilder zu übersetzen und einschätzen zu können. Besonders erwähnenswert ist, dass die Teilnehmenden des BRAVO-Projekts auch den Mehrwert des BQ-Portals für ihre Arbeit hervorhoben, indem die Berufsprofile mit Hilfe von Übersetzungstools übersetzt und für die eigene Arbeit genutzt werden können. Projekte wie „BRAVO“ bieten wichtige Informationen und Hintergründe zu den Ansätzen und ermöglichen Synergien in den Anerkennungsverfahren. Alle Teilnehmenden stimmten überein, dass die Kooperation und Erreichbarkeit der Verantwortlichen in der beruflichen Bildung ein wichtiger Aspekt in der Bearbeitung von Anerkennungsverfahren sind.

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Das Anerkennungsverfahren in der Praxis

Am zweiten Workshop-Tag empfing das IW zusammen mit den „BRAVO“-Projektleitenden Vertreterinnen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) sowie der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB). Des Weiteren waren Expertinnen und Experten der Industrie- und Handelskammer Hannover sowie der Handwerkskammer Koblenz zu Gast, die stellvertretend für die deutschen IHKs und HWKs den Prozess der beruflichen Anerkennung innerhalb ihrer Kammern vorstellten. Außerdem waren Vertreterinnen und Vertreter von Make it in Germany sowie der European Training Foundation vor Ort. 

Die Vertreterin des BIBB präsentierte die aktuellen Anerkennungsstatistiken, stellte das Portal „Anerkennung in Deutschland“ vor und machte dabei auf die Herausforderungen aufmerksam, die in der Anerkennungspraxis durch die Vielzahl an Anerkennungsakteuren bestehen. Besonders hervorgehoben wurde der Austausch und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, wie den Bundesministerien, dem Statistischen Bundesamt und Partnern, wie dem Netzwerk IQ und dem BQ-Portal. Hieran knüpfte auch das Portal Make it in Germany an, welches die neuen Einreiseregeln erläuterte und die übergreifenden Kooperationen mit den zahlreichen Akteuren im Themenfeld der Zuwanderung, Fachkräftesicherung und Berufsanerkennung bekräftigte. 

Die HWK Koblenz berichtete aus der Anerkennungspraxis und betonte, dass es derzeit keine EU-Standards für Ausbildungen gäbe, und dass eine der größten Herausforderung die Bestimmung des deutschen Referenzberufs ist. Ursache hierfür ist unter anderem die Menge an Berufen, die allein im Metall- und Elektrobereich existieren. Des Weiteren stellten beide Kammern die Bedeutung der Zusammenarbeit mit anderen Projekten zur Unterstützung der beruflichen Anerkennung in Deutschland vor, wie mit dem BQ-Portal oder HabiZu (Handwerk bietet Zukunft). Auch die ZAB unterstrich in ihrem Vortrag, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Anlaufstellen in Deutschland gut funktioniere. Eine wesentliche Herausforderung, dem alle deutschen Akteure zustimmten, sei jedoch das komplexe System der Anerkennung in Deutschland. 

Gemeinsames Ziel für ausländische Fachkräfte 

Die Anerkennungsverfahren haben alle zum Ziel, ausländischen Fachkräften den Arbeitsmarkt im eigenen Land zu öffnen und dem Fachkräftemangel in den unterschiedlichen Sektoren entgegenzuwirken. Alle Teilnehmenden stimmten überein, dass solche Austauschmöglichkeiten, die hier das BQ-Portal geschaffen hat, regelmäßig stattfinden müssten, um mehr voneinander zu lernen und die verschiedenen Ansätze und Erfahrungen kennenzulernen. Wiederholt wurde das BQ-Portal als nützliches Tool angesehen und sehr für den Mehrwert der Transparenz zu ausländischen Berufsqualifikationen geschätzt. 

Als zentrale Idee diskutierten die Teilnehmenden die EU-weite Ausweitung des ENIC-NARIC-Netzwerks auf die Akteure der Berufsanerkennung auf der Ebene der beruflichen Bildung. Dieser Ansatz könnte sich in einem Folgeantrag für die Fortführung des BRAVO-Projekts wiederfinden. 

BRAVO-Projektinformationen und Veröffentlichung des Zwischenberichts: https://hkdir.no/en/bravo. Der Endbericht wird für Ende 2024 erwartet.

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