Workshop 2015: Arabische Berufsbildungssysteme
Wie finde ich Informationen zum syrischen Berufsbildungssystem? Wer hat bereits Erfahrungen mit Antragstellerinnen und Antragstellern aus dem arabischen Raum? Was mache ich, wenn keine Nachweise der Ausbildung vorliegen? Über diese und weitere Fragen diskutierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der für das Anerkennungsverfahren zuständigen Stellen beim BQ-Portal Nutzerworkshop „Arabische Berufsbildungssysteme“ am 18. September 2015 im Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln).
Viele Männer und Frauen flüchten derzeit vor Krieg und politischer Verfolgung nach Deutschland. Das ist für die Bundesrepublik eine Herausforderung, aber auch eine große Chance: Deutschland kann den Flüchtlingen Schutz bieten und ihnen zugleich die Möglichkeit eröffnen, sich zu qualifizieren und zu arbeiten. Gerade für die Arbeitsmarktintegration von Asylbewerberinnen und -bewerber ist das Anerkennungsverfahren ein entscheidender Baustein. Daher sind die zuständigen Stellen für die Gleichwertigkeitsprüfung im Rahmen der Anerkennung derzeit besonders gefragt. Die Durchführung des Anerkennungsverfahrens in einem Aus- oder Fortbildungsberuf obliegt in Deutschland verschiedenen Kammern (Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Landwirtschaftskammern, Ärztekammern etc.). Sie stehen nun vor der großen Aufgabe, ausländische Ausbildungsabschlüsse, beispielsweise aus Syrien oder dem Irak, einzuschätzen und mit dem passenden deutschen Beruf abzugleichen. An diesem Punkt unterstützt das BQ-Portal die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Stellen mit einer umfassenden Datenbank zu ausländischen Berufsbildungssystemen und Berufsprofilen sowie mit der persönlichen Hilfe durch ein Länderexpertenteam. Doch besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang auch der Erfahrungsaustausch und eine ausführliche Einführung in die arabischen Bildungssysteme. Daher lud das BQ-Portal insgesamt 17 Kammer-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter zum ersten Nutzerworkshop „Arabische Berufsbildungssysteme“ am 18. September 2015 nach Köln ein.
Der eintägige Workshop begann mit einer Vorstellungs- und Austauschrunde. Dabei stellte sich schnell heraus, dass die Erfahrungsstände der verschiedenen Kammervertreterinnen und Kammervertreter sehr variierten: Während in ländlichen Gebieten noch recht wenige Anträge von Flüchtlingen gestellt wurden, sieht es in manchen Ballungszentren bereits ganz anders aus: „Seit Januar 2015 nehmen die Anfragen aus Flüchtlingsländern deutlich zu“, so eine Kammermitarbeiterin. Doch ob bereits viele Erfahrungen oder wenige – bei den Kammern gab es eine Menge offener Fragen. So bestand großes Interesse an den Systemen der arabischen Berufsausbildung. Daher informierten die Experten des IW Kölns für arabische Länder, Kristina Stoewe und Mohamed Mansour, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausführlich über die Länder Syrien, Irak, Ägypten, Jordanien und Libyen. Neben der historischen Entwicklung und der aktuellen Situation in den Ländern, wurden vor allem die verschiedenen Bildungsgänge und länderspezifischen Besonderheiten in der beruflichen Bildung näher beleuchtet. Fragen der Kammern wie „Gibt es eine Schulpflicht?“, „Wie hoch ist der Praxisanteil in der syrischen Ausbildung?“ oder „Wie ist das Bildungsniveau in den arabischen Ländern im Allgemeinen?“ konnten beantwortet werden. Eine wichtige Erkenntnis war: „Bildung hat einen hohen Stellenwert in den arabischen Ländern. Die Menschen von dort wollen lernen!“
Im zweiten Teil des Workshops ging es dann vor allem um praktische Fragen rund um das Thema Anerkennungsverfahren von Antragsstellerinnen und Antragstellern aus Flüchtlingsländern. Zunächst bekamen die Teilnehmenden Tipps und Tricks zum Recherchieren von Informationen über die jeweiligen Ausbildungen. Dazu Länderexpertin Kristina Stoewe: „Bei der Recherche ist vieles möglich, aber leider nicht alles – wie so oft.“ Was möglich ist, probierten die Kammervertreterinnen und -vertreter an Beispielfällen selbst aus. Die erste Einschätzung der ausländischen Zertifikate, ob überhaupt eine Antragsberechtigung vorliegt, ging den meisten dank der zuvor vermittelten Informationen wesentlich schneller von der Hand. Doch obwohl man mittlerweile über einige Kontakte in den arabischen Ländern verfügt, lassen sich oft nur wenige Details zu den Ausbildungsgängen der Antragstellenden finden. Insbesondere die Beschaffung älterer Ausbildungsordnungen, die nicht in digitalisierter Form vorliegen, ist oft zeitintensiv und führt nicht immer zu einem Ergebnis. Daher kommt es häufig zu sogenannten Qualifikationsanalysen, bei denen die Antragsstellenden ihre erlernten Fähigkeiten in der Praxis zeigen. Diese Analysen sind allerdings sehr aufwendig und mit höheren Kosten für die Antragstellenden verbunden – hier setzt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „Prototyping Transfer“ an: Im Projekt sollen Verfahren und Arbeitshilfen entwickelt werden, um die beruflichen Kompetenzen der Antragstellenden im Rahmen der Qualifikationsanalyse bestmöglich festzustellen. Weiterhin gibt es verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung.
Insgesamt konnten durch den Workshop viele offene Fragen der zuständigen Stellen zu den arabischen Ausbildungssystemen geklärt werden. „Ich fühle mich nun gut informiert und besser gewappnet für Anträge aus Flüchtlingsländern“, so ein Kammermitarbeiter. Dennoch ist ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch unabdingbar und mit neuen Anträgen werden wieder neue Fragen aufkommen. Um noch mehr Kammermitarbeiterinnen und -mitarbeitern den direkten Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, ist bereits für November 2015 der nächste BQ-Portal-Workshop zu den arabischen Berufsbildungssystemen geplant. Außerdem wird das BQ-Portal den Kammern auch weiterhin mit seiner Expertise beiseitestehen. Oder in den Worten eines Teilnehmers: „Das BQ-Portal erweist sich immer wieder als Leuchtturm im Dunkeln.“