Länderprofil
Abbildung Belarus 2011

Belarus

Gültigkeit Seit 01.09.2011
Amtssprache Russisch, Weißrussisch Der Unterrichtet findet meist auf Russisch statt. In den Bildungseinrichtungen mit Programmen der allgemeinen mittleren Bildung ist jedoch das Erlernen der weißrussischen (belarussischen) Sprache für die Bürger der Repubik Belarus obligatorisch.  

Beschreibung

Das staatliche Bildungswesen in Weißrussland ist zentral organisiert: Die Struktur sowie zu einem großen Teil die Inhalte und die Anforderungen an das Lehrpersonal sind staatlich vorgegeben. Das Ministerium für Bildung ist für Umsetzung der staatlichen Politik im Bildungsbereich sowie Qualitätssicherung der Bildung zuständig.

Grundlegend für das aktuelle Bildungssystem ist das Bildungsgesetzbuch, das seit 13.01.2011 in Kraft ist.

Laut dem Bildungsgesetzbuch werden in Weißrussland folgende Stufen des Bildungssystems unterschieden:

  • vorschulische Bildung (russ. дошкольное образование)
  • allgemeine mittlere Bildung (russ. общее среднее образование); am Ende erwirbt man ein Zeugnis der allgemeinen mittleren Bildung (russ. аттестат об общем среднем образовании)
  • beruflich-technische Bildung (russ.: Профессионально-техническое образование)
  • mittlere Fachbildung (russ.: среднее специальное образование)
  • Hochschulbildung
  • post-tertiäre Bildung

Beruflich-technische Bildung und mittlere Fachbildung sind 2 berufliche Erstausbildungsgänge.

  • Beruflich-technische Bildung: Ausbildung von Arbeitern und Angestellten mit beruflich-technischer Ausbildung. Mind. 40 % der Ausbildungszeit entfallen auf betriebliche Praktika. Bildungseinrichtungen: Beruflich-technische Schulen, berufliche Lyzeen, beruflich-technische Colleges. Am Ende der Ausbildung erwirbt man ein Zeugnis/Diplom der beruflich-technischen Bildung (russ. диплом о профессионально-техническом образовании). Zu dieser Berufsausbildung werden die meisten Arbeiterberufe gezählt. Die Ausbildungsdauer beträgt je nach Beruf 1-2 Jahre. Beim gleichzeitigen Erwerb der Hochschulreife verlängert sich die Ausbildungsdauer um 1 Jahr.
  • Mittlere Fachbildung: Ausbildung von Spezialisten und Arbeitern mit mittlerer Fachausbildung. Auf dieser Qualifikationsebene werden:
    • Fachkräfte zur Leitung und Organisation der Anfangsstufen von Produktion,
    •  Assistenten für hochqualifizierte Spezialisten und
    • Personen, die bestimmte qualifizierte Arbeiten selbständig ausführen können,

ausgebildet. Aus diesem Grund beinhaltet diese Ausbildung immer (falls noch nicht vorhanden) auch einen Abschluss der allgemeinen mittleren Bildung und ist durch einen hohen Anteil des theoretischen Unterrichts gekennzeichnet. Auf Lern- und Betriebspraktika entfallen lediglich ca. 20 % der Ausbildungszeit. Am Ende der Ausbildung erwirbt man ein Zeugnis/Diplom der mittleren Fachbildung (russ. диплом о среднем специальном образовании). Die Ausbildungsdauer beträgt je nach Beruf 2-3 Jahre. Beim gleichzeitigen Erwerb der Hochschulreife verlängert sich die Ausbildungsdauer um 1 Jahr.


Für alle Bereiche (Stufen) des Bildungssystems wurden bzw. werden Bildungsstandards entwickelt, die Mindestanforderungen an Inhalte und die grobe zeitliche Planung der (Aus-) Bildungsgänge enthalten. Außerdem gibt es Ausbildungsstandards für einzelne Berufe, die ebenfalls berufs- und niveauspezifisch zeitliche und inhaltliche Vorgaben definieren.

Neben dem grundlegenden Bildungssystem existiert in Weißrussland auch der Bereich der Erwachsenenbildung, in dem zusätzliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse bzw. Qualifikationen erworben oder ausgeweitet werden können. In der Erwachsenenbildung werden u.a. folgende Programme angeboten:

  • Umschulung von Führungs- und Fachkräften mit dem Abschluss der mittleren Fachbildung: Erwerb einer neuen Qualifikation im Bereich der mittleren Fachbildung. Erfolgreiche Absolventen erhalten ein Zeugnis/Diplom über Umschulung im Bereich der mittleren Fachbildung (russ. диплом о переподготовке на уровне среднего специального образования).
  • Höherqualifizierung von Arbeitern: Erwerb einer höheren Qualifikationskategorie im gelernten Beruf. Die Dauer der Höherqualifizierung beträgt 1 Woche bis 3 Monate. Erfolgreiche Absolventen erhalten eine Bescheinigung über den Erwerb einer Qualifikationskategorie (russ. свидетельство о присвоении квалификационного разряда).
  • Umschulung von Arbeitern: Erwerb eines neuen Berufes bei Personen mit einem Berufsabschluss. Die Dauer der Umschulung beträgt 2 Wochen bis 11 Monate. Erfolgreiche Absolventen erhalten eine Bescheinigung über den Erwerb einer Qualifikationskategorie (russ. свидетельство о присвоении квалификационного разряда).
  • beruflicher Qualifikationserwerb von Arbeitern: berufliche Vorbereitung in einem Beruf bei Personen ohne einen Berufsabschluss. Die Dauer der beruflichen Vorbereitung beträgt 1-12 Monate. Erfolgreiche Absolventen erhalten eine Bescheinigung über den Erwerb einer Qualifikationskategorie (russ. свидетельство о присвоении квалификационного разряда).

Solche Bildungsgänge enden ebenfalls mit einer Abschlussprüfung und sind daher u.U. ebenfalls relevant im Rahmen der Anerkennungsverfahren in Deutschland.

Quelle: Bildungsgesetzbuch vom 13.01.2011

Landesspezifische Besonderheiten

1. Hohes Bildungsniveau der Bevölkerung. Traditionell hoher Stellenwert der Bildung. Im Vergleich zu anderen Republiken der ehemaligen Sowjetunion wies Weißrussland vor der Perestroika - also vor ca. 1986 - eine gut entwickelte Industrie mit mehreren Branchen, intensive landwirtschaftliche Großproduktionen und einen großen Vorsprung in der wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung auf. Diese Struktur ist bis heute erhalten geblieben (mit Verschiebungen zugunsten des Dienstleisungssektors), was ein hohes Bildungsniveau erfordert und einen hohen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften schafft. So beträgt die Alphabetisierungsrate der erwachsenen Bevölkerung 99,7 Prozent. 98 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung verfügen über eine allgemeine Basisbildung (9 J.), allgemeine mittlere Bildung oder berufliche Bildung. Der Besuch der öffentlichen Schulen ist kostenlos, es gelten die neunjährige gesetzliche Schulpflicht und frühzeitige Spezialförderung. (Quellen: J.Grieß, M.Lindemau, K.Maaz, U.Waleschkowski. Bildungssysteme in Europa. Kurzdarstellungen. ISIS Berlin e.V., 2005, W.Hellwig, M.Spreen. Weißrussland/Belarus. In: U.Lauterbach. Internationales Handbuch der Berufsbildung. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1999; T.Kuusela. Review of educational sector developments in Belarus. Working Paper. ETF, 2009; Bildungsministerium der Republik Belarus;  TORINO PROCESS. Belarus. 2011. ETF)

2. Stetige Entwicklung der nichtakademischen beruflichen Bildung. Staatliche Regulierung. Im Unterschied zu anderen GUS-Staaten (in denen die nichtakademische beruflliche Bildung während der Wirtschaftskrise Anfang der 90-er Jahre vernachlässigt oder zum Teil ganz aufgegeben wurde), genoss diese Qualifikationsebene in Belarus eine stetige Entwicklung dank der staatlichen Regulierung und der Hilfe internationaler Organisationen und Netzwerke (u.a. ETF). Dank staatlicher Förderung gingen die Verbindungen zwischen Betrieben und Einrichtungen für berufliche Bildung nie verloren. (Quelle: T.Kuusela. Review of educational sector developments in Belarus. ETF, 2009).

3. Arbeitskräfte auf Bestellung und enge Verbindung mit Betrieben. Hoher Anpassungsgrad an den Arbeitmarkt. Da der Anteil des staatlichen Sektors in der weißrussischen Wirtschaft sehr hoch ist, stehen dem Staat zahlreiche Möglichkeiten zur Anpassung des Angebots an die Nachfrage nach Arbeitskräften zur Verfügung:

1) Die Betriebe mit Bedarf an qualifizierten Kräften können beispielsweise einen Vertrag über die Zusammenarbeit mit einer Bildungseinrichtung schließen, in dem die Bildungseinrichtung sich verpflichtet, die notwendige Zahl der Fachkräfte mit der erforderlichen Qualifikation auszubilden. Die Organisation - "Bestellerin der Fachkräfte" (Bildungskodex) verpflichtet sich ihrerseits, die betrieblichen Praktika mitzugestalten und die materiell-technische Basis und das kulturelle Angebot der Bildungseinrichtung zu verbessern (die Organisation wird dann als "die Basisorganisation der Bildungseinrichtung" anerkannt). 2010 wurden 93,7 Prozent der Ausbildungsverhältnisse auf der Basis solcher Verträge durchgeführt. Betriebe mit Bedarf an Arbeitskräften können außerdem einen Antrag auf Ausbildung von Fachkräften an die BIldungseinrichtung stellen, ohne einen Vertrag über die Zusammenarbeit zu schließen. Dies ist eine weniger verbreitete Form der Bestellung von Arbeitskräften.

2) Es existiert ein System der Zuweisung von Absolventen (§ 83 des Bildungskodex), bei dem die Arbeitsstellen den Absolventen in der Regel durch die Bildungseinrichtungen zugewiesen werden. Die Abgänger der Einrichtungen für beruflich-technische Bildung sind in der Regel verpflichtet, das zugewiesene Arbeitsverhältnis ein Jahr lang beizubehalten. Die Abgänger der Einrichtungen für mittlere Fachbildung  verpflichten sich für zwei Jahre (wenn der Anteil der staatlichen Finanzierung der Ausbildung mind. 50% betrug). Es gelten jedoch viele Ausnahmen, beispielsweise in Bezug auf Familien, Familien mit Kindern, Schwangerschaft etc..

4. Staatliche Mindestanforderungen für alle Bildungsebenen. Für alle Bildungsebenen gelten staatliche Mindestanforderungen bzw. Bildungsstandards, auf deren Basis staatliche Rahmenstundentafeln und Lehrpläne unter der Leitung  des Bildungsministeriums entwickelt werden. Die Bildungseinrichtungen erarbeiten eigene Curricula nach diesen staatlichen Vorgaben und erweitern sie ggf. durch regionale und schulspezifische Aspekte. (Quelle: Bildungskodex der Republik Belarus)

5. Annäherung an das Bildungssystem Russlands. Das weißrussische Bildungssystem weist viele Gemeinsamkeiten mit dem russischen auf, was mit Hinblick auf die geographische Nähe und voranschreitende politische und wirtschaftliche Wiederannäherung für beide Länder von Vorteil ist.

6. Probleme:

  • Trotz der Bemühungen des Staates bezüglich der Anpassung des Angebots an Fachkräften an die Nachfrage, funktioniert das System der "Bestellung von Fachkräften" nicht optimal, da die Besteller oft nicht imstande sind, zuverlässige Informationen über die Nachfrage zu liefern.
  • Marode materiell-technische Ausstattung der Bildungseinrichtungen und Betriebe, an denen die Praktika durchgeführt werden, hoher Verschleißgrad und Veralterung der technischen Ausrüstung, was die Ausbildung von Fachkräften für den Hochtechnologie-Sektor erschwert; schlechter Zustand von Schulgebäuden.
  • Da die PTO-Bildungseinrichtungen als Auffangbecken für sozial Schwache gedacht waren (kostenloses Wohnen und Essen), geniesst diese Art von Ausbildung nach wie vor ein relativ niedriges Ansehen, so dass die Zahl der Auszubildenden stetig sinkt. 
  • Lehrkräftemangel  aufgrund zu niedriger  Löhne.  
Aktuelle Reformprozesse

Einführung des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) in Weißrussland:

Zuständig dafür sind das Ministerium für Arbeit und soziale Absicherung der Republik Weißrussland sowie das Arbeitswissenschafts- und -forschungsinstitut.

In Weißrussland wird das nationale System der Berufsqualifikationen optimiert: Die Qualifikationsverzeichnisse werden durch den Nationalen Qualifikationsrahmen und die Berufsstandards ersetzt. Diese werden nicht nur formale sondern auch informelle Kompetenzen enthalten, die an Arbeitsstellen erworben wurden.

Die Hauptelemente des neuen Systems sind: Berufsstandards, die wiederum als Informationsquelle für Ausbildungsstandards dienen sollen; Branchenräte, die die Anforderungen im Rahmen der Qualifikationen bestimmen sowie die Berufsstandards erarbeiten sollen.

2015 schloss sich Weißrussland dem Bologna-Prozess an.

Stand 2011:

Mit der Einführung des Bildungskodex 2011 wurden die Struktur des Bildungswesens und die Inhalte der einzelnen Bildungsebenen präzisiert.

Zur Planung der staatlichen Bildungspolitik im Bereich der Reformierung des Bildungswesens werden staatliche Programme zur Entwicklung beruflich-technischer Bildung und mittlerer Fachbildung (sowie aller anderen Bildungsebenen) mit einer Geltungsdauer von 5 Jahren erarbeitet. Sie halten die Ergebnisse des vorangegangenes Programms und die für die nächsten 5 Jahre geplanten Maßnahmen der staatlichen Bildungspolitik fest.

Laut den Staatlichen Entwicklungsprogrammen für PTO und SSO für 2011-2015 waren in den vorangegangenen 5 Jahren folgende Erfolge zu verzeichnen:

  • im PTO-Bereich wurden 102 Bildungsstandards entwickelt (96,2%),
  • im SSO-Bereich wurden Bildungsstandards für alle Fachrichtungen erarbeitet, 
  • die Zusammenarbeit der Bildungseinrichtungen mit Betrieben wurde verstärkt (93,7% der Ausbildungsverhältnisse erfolgten auf Basis  von Verträgen über die Zusammenarbeit),
  • das Institut der sogenannten Basisorganisationen der Bildungseinrichtungen wurde wiederbelebt,
  • die Häufigkeit der Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen unter Lehrkräften nahm zu,
  • im Bereich der SSO wurden 8 neue Fachrichtungen eingeführt (u.a. Öl- und Gasverarbeitung, Mechatronik etc.),

Zudem werden staatlicherseits  folgende Änderungen postuliert:

  • Modernisierung der technischen und materiellen Ausrüstung der Bildungseinrichtungen (so beträgt der Verschleißgrad der Technik an manchen Schulen 80-85%),
  • Erneuerung der Inhalte der Curricula zur Anpassung an Veränderungen in den Branchen,
  • Entwicklung neuer Bildungsstandards und Curricula,
  • Entwicklung neuer Lehrbücher (im SSO-Bereich ist der entsprechende Bedarf lediglich zu 83% gedeckt).

Quellen: Staatliches Programm der Entwicklung der beruflich-technischen Bildung für die Jahre 2011-2015. Verordnung des Ministerrates der Republik Belarus Nr.1900 vom 27. Dezember 2010; Staatliches Programm der Entwicklung der mittleren Fachbildung für die Jahre 2011-2015. Verordnung des Ministerrates der Republik Belarus Nr.1901 vom 27. Dezember 2010.  

Historische Entwicklung

Berufsbildungssystem von 1991 bis 2011
Gültigkeit: 29.10.1991 - 01.09.2011

Beschreibung

Grundlegend für das Bildungssystem Weißrusslands von 1991 bis 2011 war das Bildungsgesetz vom 29.10.1991.

Folgende Unterschiede zum jetzigen System wies das Bildungssystem auf:

  1.  
    1. Die Dauer der gesamten allgemeinen mittleren Bildung inkl. allgemeine Basisbildung betrug 12 Jahre. Seit 2011 beträgt die Gesamtdauer 11 Jahre.
    2. Beruflich-technische Bildung: Beruflich-technische Bildung: Den Auszubildenden, die über Hochschulreife nicht verfügten und diese während der Ausbildung nicht miterworben haben, wurde das Zeugnis der beruflich-technischen Bildung am Ende der Ausbildung ausgestellt (russ. аттестат о профессионально-техническом образовании).  Seit 2011 wird ein Zeugnis/Diplom der beruflich-technischen Bildung (russ. диплом о профессионально-техническом образовании) ausgestellt.

 

Quelle: Bildungsgesetz vom 29.10.1991.

Berufsbildungssystem zur Zeit der Sowjetunion von 1922 bis 1991
Gültigkeit: 01.01.1950 - 25.08.1991

Beschreibung

In diesem Zeitraum gehörte Weißrussland der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR, an. Eine Beschreibung des Berufsbildungssystems der UdSSR findet sich unter Sowjetunion

Weiterführende Informationen

Quellen und Links
  • Republikanisches Portal "Berufliche Bildung" des Republikanischen Instituts für Berufliche Bildung mit ausführlichen Informationen zum Bildungssystem und zu den Curricula. Viele Infos auch auf Englisch.
  • Bildungsministeriums der Republik Belarus.
  • Verwaltung für Berufliche Bildung (Abteilung für Beruflich-technische Bildung und Abteilung für Mittlere Fachbildung) bei dem Bildungsministerium der Republik Belarus

 

Informationen des Auswärtigen Amtes